Das Thema Olympische Sommerspiele in China und Menschenrechte wird uns nicht nur bis zur Eröffnungsfeier am 8. August, sondern auch darüber hinaus begleiten. In der ORF-Fernsehdiskussionsreihe „im ZENTRUM“ lud Ingrid Thurnher eine Runde aus Politik, Sport und Gesellschaft, um nach den gewaltsam unterdrückten Protesten der Tibeter und den Einschränkungen für Journalisten in China die Frage eines Boykotts zu erörtern.
Natürlich steht die Olympische Bewegung derzeit ihrer größten Herausforderung gegenüber. Es geht um ihre Glaubwürdigkeit. Die Verantwortlichen des IOC müssen überprüfen, ob sie ihrer Verantwortung gerecht werden. Nicht nur der Sport ist ein Menschenrecht, der organisierte Sport hat auch für Menschenrechte zu kämpfen. „Jeder Einzelne hat das Recht Sport zu treiben, ohne jegliche Diskriminierung, im Sinne des Olympischen Gedankens, welcher gegenseitiges Verständnis mit dem Geiste von Freundschaft, Solidarität und Fair Play erfordert“ – dieser Auszug aus der Olympischen Charta bringt das Wesen des Sports auf den Punkt. China hat bei der Vergabe der Olympischen Spiele eine moralische Verpflichtung übernommen, im Bereich Menschenrechte etwas zu tun. Jetzt gilt es, das einzufordern. Man darf den Sport in dieser Frage aber nicht allein lassen. Gerade Olympische Spiele waren in ihrer Geschichte immer auch politisch. Darum haben Sport, Politik und Wirtschaft die Verpflichtung, auf ihrer Ebene und nach ihren Möglichkeiten aktiv zu werden, um den Dialog Chinas mit dem Dalai Lama zu ermöglichen und positiv auf die Menschenrechtslage einzuwirken.
In der Frage eines Boykotts darf man aber nicht etwas von den Sportlern verlangen, was Politik und Wirtschaft nicht schafften. Ein sportlicher Boykott kommt für mich nicht in Frage. Ein politischer Boykott macht dann wirklich Sinn und ist dann ein starkes Signal gegenüber Peking, wenn es eine gemeinsame Vorgangsweise aller westlichen Demokratien, vor allem aber der EU gibt. Aber diese Maßnahme müssen wir uns weiterhin offen lassen, um bis zum Beginn der Spiele weiterhin auf die chinesischen Politiker einwirken zu können. Bei einem ausgesprochenen Boykott fehlt dieser Hebel, denn dann würde es diese Gespräche gar nicht mehr geben. Sollten aber die Verhaftungen weitergehen und Peking keinen Dialog mit den Tibetern beginnen, dann werde ich persönlich sicher nicht an der Eröffnung teilnehmen. Doch so weit sind wir heute noch nicht. Ich sehe die Olympischen Spiele in Peking nach wie vor als Chance für die Menschenrechte. Die 25.000 ausländischen Journalisten lassen sich in Peking bei ihrer Arbeit nicht so einschränken, dass sie ein falsches Bild von China in die Welt senden. Ohne Olympia gäbe es diese Möglichkeit nicht und auch heute keine Diskussion über die Lage in Tibet. Ein Boykott würde nur die Falschen strafen, die 1,3 Milliarden Chinesen, die sich auf die Spiele in ihrem Heimatland freuen und die Sportler, die sich seit vier Jahren auf das größte Ereignis ihrer Karriere vorbereiten.