Cordoba 2, David gegen Goliath, End- und Schicksalsspiel oder das „kleine Finale“ – das heutige Aufeinandertreffen mit dem großen Nachbarn Deutschland in Wien hat viele Vergleiche auf den Plan gerufen. Fakt ist: Kein anderes Spiel löst in Österreich so viele und große Emotionen hervor, wie das Aufeinandertreffen mit dem großen Bruder. Da werden neben sportlichen auch schnell politische und wirtschaftliche Spielfelder gesucht und gefunden. Entschieden wird das Match aber, und das ist eine alte Fußballweisheit, auf dem grünen Rasen. Für Österreich heißt es: Alles oder nichts!
Auch wenn Deutschland-Kapitän Michael Ballack auf dem Transfermarkt einen höheren Wert erzielt als die gesamte österreichische Fußballnationalmannschaft, sind für 90. Minuten alle gleichberechtigt. Heute zählt das fußballerische Können und Nervenstärke. Vergessen müssen alle Vergleiche mit Argentinien 1978 sein, als es dem Fußballzwerg Österreich gelang, dem Goliath Deutschland das Bein zu stellen. Natürlich hat Deutschland von 34 Begegnungen 20 für sich entscheiden können, gerade einmal acht Siege zählt Österreich. Der unerwartete Erfolg ist es aber, der die Österreicherinnen und Österreicher an die Möglichkeit glauben lässt, dass am Ende zumindest nicht immer die Deutschen gewinnen. Und mit einem Sieg Österreichs wäre für eine euphorische EURO-Stimmung gesorgt, wie sie das Land noch nicht erlebt hat und mit dem „Wunder von Wien“ endgültig der Blick in die Vergangenheit überholt.
Das sportliche Gipfeltreffen wird auch zum Staatsgipfeltreffen. Neben Bundeskanzlerin Angela Merkel kommen gleich sechs Minister unseres Nachbarlandes zum Fußballduell. Vizekanzler und Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Innenminister Wolfgang Schäuble, Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, Verteidigungsminister Franz Josef Jung, Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee und Umweltminister Sigmar Gabriel haben sich angesagt. Daneben komplettieren der Ministerpräsident von Thüringen, Dieter Althaus, Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit und der Innen- und Sportminister des bevölkerungsreichsten deutschen Bundeslandes, Nordrhein-Westfalen, Ingo Wolf die Liste. Im Ernst Happel-Stadion wird auch Franz Beckenbauer seinem Team die Daumen drücken wird.
In Wien herrscht heute absoluter Ausnahmezustand. Bis zu 200.000 Fans werden im gesamten Stadtgebiet, der Fanzone und den Public Viewing-Bereichen erwartet. Daher wird erstmals das Hanappi-Stadion mit Platz für zusätzlich 40.000 Besucher als Reserve-Fanzone geöffnet. Auch die Host Cities Innsbruck, Salzburg und Klagenfurt stimmen sich auf das Spitzenspiel der Gruppe B ein. Beim Spiel des WM-Gastgebers 2006 gegen den EM-Gastgeber 2008 ist jedenfalls landesweit für ein rot-weiss-rotes und schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer gesorgt. Unabhängig von der zu respektierenden Rivalität muss klar sein, dass Österreich eine besondere Verantwortung als Austragungsland zukommt. Fairness und Respekt gegenüber den Gästen sind ebenso wichtig, wie sportlicher Erfolg. Oder wie Josef Hickersberger seinen „einen einzigen“ Wunsch an die österreichischen Fans formulierte: „Pfeift bitte bei der deutschen Nationalhymne nicht!“