Einmal im Jahr kommen die Finanzminister und Notenbankgouverneure der Welt – heuer aus 187 Staaten – in Washington D.C. zusammen, um bei den Jahrestagungen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank-Gruppe die wirtschafts- und währungspolitischen Aussichten für das kommende Jahr zu besprechen. In Vertretung von Finanzminister Josef Pröll führte ich dieses Jahr die österreichische Delegation an. Hauptthemen der Tagung waren die Konjunkturentwicklung, der Währungsstreit und die Quoten- und Stimmrechtsgruppenreform.
Neben den offiziellen Sitzung der beiden „Bretton-Woods-Organisationen“ standen für die österreichische Delegation zahlreiche bilaterale Gespräche auf dem Programm. Unter anderem mit dem Staatssekretär im US-Finanzministerium Stuart Levey, dem Vizepräsidenten der Weltbank Philippe Le Houerou und dem Vizedirektor des IWF, John Lipsky.
IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn und Weltbank-Präsident Robert Zoellick gaben uns interessante Einblicke in die Studien ihrer Organisationen zur Entwicklung der Weltwirtschaft. Die Realwirtschaft erholt sich weiter. Für das laufende und das kommende Jahr erwartet der IWF ein globales Wirtschaftswachstum von 4,7 Prozent. Getragen wird der globale Aufschwung primär von der VR-China und Indien. Die USA dürfte zwar rascher als Europa aus der Krise kommen, das Wachstum hat sich aber in der zweiten Hälfte des laufenden Jahres deutlich abgeschwächt. Für die Eurozone prognostiziert der IWF 2010 und 2011 ein Wachstum von 1,7 Prozent bzw. 1,5 Prozent. Während Deutschland heuer um 3,3 Prozent wachsen wird, prognostiziert der IWF für Spanien (-0,3 Prozent) und Griechenland (-4 Prozent) weiterhin einen Rückgang. Für Österreich prognostiziert der IWF 2010 und 2011 jeweils ein reales BIP Wachstum von 1,6 Prozent.
Beim Währungsstreit ging es vor allem um den chinesischen Yuan der, nach Ansicht der USA und Europas, massiv unterbewertet ist und der Volksrepublik somit unfaire Vorteile beim Export ermöglicht. Aber auch die USA selber, Japan, Brasilien und Südkorea verstärkten ihre Anstrengungen, um ihre Währungen zu schwächen. Dazu pumpen die Zentralbanken Geld in den Markt oder kaufen Anleihen des eigenen Staats. Der Euro wiederum ist nach Ansicht vieler europäischer Wirtschaftsvertreter zu „hart“, was Exporte teuer macht. Die 16 Euro-Staaten haben sich allerdings dazu verpflichtet, dass ausschließlich die Europäische Zentralbank (EZB) für die Währungspolitik verantwortlich ist und staatliche Eingriffe, wie in den oben genannten Staaten, ausgeschlossen werden.
Ein für Europa wichtiges Thema bei der Jahrestagung war auch die neue Aufteilung der Stimmen in den Gremien des IWF. Bei der Reform geht es auch darum, dass sich das wachsende Gewicht aufstrebender Wirtschaftsnationen – wie China und Indien – auch bei Stimmrechten und Anteilen am IWF widerspiegelt. Der Knackpunkt der Reform ist die künftige Verteilung der heute 24 Direktorensitze. Die USA fordern von der – aus ihrer Sicht – übervertretenen EU, mindestens zwei ihrer heute acht Sitze abzutreten. Wir, die EU-Staaten, schlugen letzte Woche vor, die europäische Vertretung um bis zu zwei Sitze zu reduzieren, in dem gemischte Stimmrechtsgruppen abwechselnd von Schwellen- und Industrieländern vertreten werden. Beispiel: Belgien und die Türkei, die der gleichen Stimmrechtsgruppe angehören – in der auch Österreich Mitglied ist – könnten sich im Exekutivrat abwechseln.
In Washington konnten wir noch keine Lösung in dieser Frage erzielen. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Staats- und Regierungschef der G-20 bei ihrem nächsten Gipfel in Seoul Ende Oktober ein Ergebnis erzielen werden. Die Europäer haben sich auf jeden Fall bewegt.
Erfreulich für Österreich ist, dass der Kosovo unserer Stimmrechtsgruppe beigetreten ist und wir damit noch mehr Gewicht im IWF und der Weltbank haben werden.
Bei den Tagungen der Weltbank, der größten Entwicklungshilfeorganisation der Welt, ging es vor allem um die bevorstehende Wiederauffüllung der IDA. Die International Development Association ist das weiche Fenster der Weltbank-Gruppe, das konzessionelle Kredite für die ärmsten Entwicklungsländer zur Verfügung stellt. Österreich wird hier wieder seinen Beitrag leisten.