Im Rahmen meiner Rede in der heutigen Nationalratssitzung betonte ich zur EU-Erklärung der Regierungsspitze, dass wir durch den Brexit mehr denn je gefordert sind, die Europäische Union weiterzuentwickeln und für die notwendigen Veränderungen zu sorgen. Das wird uns nur mit einer ausgewogenen Balance zwischen supranationaler Zusammenarbeit und starken Nationalstaaten gelingen.
Der Austritt Großbritanniens aus der EU lässt keinen Platz für Gewinner, wie es bei Trennungen meist der Fall ist. Die EU verliert durch den Brexit an weltpolitischem Gewicht und ihre zweitgrößte Volkswirtschaft, ihren nach Deutschland zweitgrößten Nettozahler mit 5-7 Milliarden jährlich sowie eines ihrer militärisch stärksten Mitglieder. Dies ist angesichts der vielen Konflikte vor den Toren Europas und der steigenden Bedrohung durch den islamistischen Terror ein herber Verlust.
Für die EU gilt es nun, sich an der von der ÖVP immer wieder hervorgehobenen Prämisse „mehr Europa, wo es sinnvoll ist, weniger Europa, wo es notwendig ist“ zu orientieren. In den großen Fragen – die Herausforderungen durch die Flüchtlingsströme, der Kampf gegen den internationalen Terrorismus oder die Krisenherde in unmittelbarer Nachbarschaft – ist die EU gefordert, im Bereich der Gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik entschlossen und geschlossen aufzutreten. Besondere Bedeutung kommt dem Schutz der EU-Außengrenzen und dem Umgang mit der Türkeifrage zu.
Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz hat immer klar Stellung bezogen und die Aufwertung der Grenzschutzagentur Frontex hin zu einer robusten, top-ausgestatteten Einheit eingefordert. Zudem hat er in der Türkei-Frage am 13. Dezember 2016 mutig Haltung bewahrt und einen positiven Beschluss der Außenminister zum EU-Beitritt der Türkei verhindert. Im Sinne Österreichs ist es dringend notwendig, wenn wir in Brüssel auch gemeinsam das vertreten, was wir hier in Wien sagen. In Hinblick auf die Befürwortung von Flüchtlings-Camps außerhalb der EU durch Kanzler Kern ist dessen Meinungsumschwung auf die Linie der ÖVP zu begrüßen.
Während es Materien gibt, die auf europäischer Ebene zu klären sind, existieren aber auch Notwendigkeiten für die Mitgliedsländer, auf nationalstaatlicher Ebene zu handeln. Beispielsweise bei der Anpassung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder an die dortigen Lebenshaltungskosten. Auch die EU-Kommission hat Großbritannien in den Verhandlungen vor dem Brexit einen ähnlichen Vorschlag unterbreitet. Klar ist, dass wir keine Sozialunion wollen, in der sich die Personenfreizügigkeit dahingehend entwickelt, sich das beste Sozialsystem aussuchen zu können. Eine Vertiefung der Sozialunion führt dazu, dass unsere Sozialstandards nach unten nivelliert werden müssen und die Erhöhung der Standards in den ärmeren Ländern durch österreichisches Steuergeld finanziert wird. Denn wer, wenn nicht die Nettozahler sollen die Sozialunion finanzieren. Die EU muss ihre Ausgaben reduzieren und nicht noch weiter erhöhen.
Bei der Weiterentwicklung der Europäischen Union – das hat auch Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner festgehalten – muss es vordringlich darum gehen, Europa sicher, unbürokratisch und bürgernah zu gestalten. Dafür gilt es zu arbeiten. Die Zukunft Österreichs liegt in einer weiterentwickelten EU. Wir werden den österreichischen Ratsvorsitz 2018 dazu nutzen, die notwendigen und starken Impulse für ein am Subsidiaritätsprinzip orientiertes Europa der Regionen zu setzen.