In meiner heutigen Plenarrede zur aktuellen politischen Situation in der Türkei betonte ich, dass sich die Türkei immer weiter von der Europäischen Union entferne. Menschenrechtsverletzungen stehen nach wie vor an der Tagesordnung: So sind gerichtliche Untersuchungen und Verhandlungen intransparent, Verdächtige kommen für undefinierte Zeit unter unzumutbaren Bedingungen in Untersuchungshaft.
Das Europaparlament hat der Türkei Anfang Oktober aufgrund mangelhafter demokratischer Fortschritte richtigerweise 70 Millionen Euro an Beitrittshilfen gestrichen, die dem Land ursprünglich als Heranführungshilfe an die Europäische Union für dieses Jahr zugedacht waren. Für einen entsprechenden Vorschlag stimmten in Straßburg 544 Abgeordnete, nur 28 votierten dagegen. Ein sehr klares Votum gegen den Unrechtsstaat Türkei!
Diese Summe war im EU-Haushalt 2018 in Reserve gestellt worden. Die Auszahlung der Gelder war an die Bedingung geknüpft, dass die Türkei „messbare und ausreichende Fortschritte in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Menschenrechte und Pressefreiheit“ erzielt. Dies ist nach dem jüngsten Fortschrittsbericht der EU-Kommission absolut nicht der Fall. Im Gegenteil ist die EU zu dem Schluss gelangt, dass sich die Türkei „deutlich von ihr entfernt“. Damit sei die Bedingung für die Auszahlung der Gelder nicht erfüllt.
Zugleich ist das Verhältnis der EU-Staaten zur Türkei im Vergleich zu anderen Ländern etwas Besonderes: Die Türkei ist Mitglied der NATO, und mit ihr werden offiziell nach wie vor EU-Beitrittsverhandlungen geführt. Es bestehen enge wirtschaftliche und menschliche Beziehungen.
Sowohl den Regierungen der EU-Staaten als auch der türkischen Führung sollte daran gelegen sein, vernünftige Beziehungen zu unterhalten. In Europa braucht man die Türkei als stabilen, erfolgreichen Partner. Doch damit das Land diese Rolle einnehmen kann, sind demokratische und rechtsstaatliche Verhältnisse nötig. Erdogan schwächt jedoch sowohl die Demokratie als auch den Rechtsstaat in der Türkei!