Zwei Jahre vor dem Ersten Weltkrieg: Die Titanic sinkt, Woodrow Wilson wird Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika und Gerhard Hauptmann erhält den Nobelpreis für Literatur – das sind einige Schlaglichter aus dem Jahre 1912, in dem Ellen Müller-Preis am 6. Mai geboren wurde. Diese Woche feierte sie ihren 95. Geburtstag.
Die Grande Dame des österreichischen Sports ist Österreichs älteste Olympiasiegerin, Österreichs einzige Fecht-Olympiasiegerin, die erste „Sportlerin des Jahres“ in Österreich (1949) und wahrhaft eine lebende Legende. Denn mit dem Florettfecht-Olympiasieg am 3. August 1932 in Los Angeles, drei Weltmeisterschafts (WM)-Titeln, zwei Olympia-Bronzemedaillen und unzählige weiteren Europameisterschafts- und WM-Medaillen ist sie die erfolgreichste österreichische Sommersportlerin aller Zeiten. Nach Ellen Müller-Preis folgten als rotweißrote Olympiasiegerinnen im Sommer dann nur noch Herma Bauma (Speer 1948), Sissy Max-Theurer (Dressur 1980) und Kate Ellen (Triathlon 2004).
Im Haus des Sports hieß es Ellen Müller-Preis zu ehren „Happy birthday to you!“ Gekommen sind vom dreifachen Ski-Olympiasieger Toni Sailer, über Ex-Fechter Benny Wendt, Opernball-Diva Lotte Tobisch bis zu den Bühnenstars Erika Pluhar und Michael Heltau viele Verehrer, Begleiter und Freunde aus Sport, Politik und Kultur. Von ÖOC (Österreichische Olympische Comité)-General Heinz Jungwirth bekam sie im Namen von Leo Wallner und IOC (Internationale Olympische Comité)-Präsident Jacques Rogge die Olympia-Trophy überreicht. Doch beinahe wäre ihre sportliche Karriere ganz anders verlaufen: Die Tochter eines Steirers wuchs in Berlin auf, wo sie zunächst als Leichathletin aktiv war. Erst mit 18 Jahren begann sie, nach der Übersiedlung nach Wien, bei ihrer Tante mit dem Fechtunterricht. Bereits nach einem halben Jahr wurde die Florett-Fechterin österreichische Meisterin. Für Olympia suchte die deutsch-österreichische Doppelstaatsbürgerin eigentlich beim deutschen Verband an, war aber abgelehnt worden. Ein Glücksfall für den österreichischen Sport.
Aus der nach wie vor äußerst agilen und reiselustigen Jubilarin spricht heute die Weisheit des Alters. Sie ist keine Frau, die in der Vergangenheit lebt. Umso mehr missfallen ihr einige Tendenzen im heutigen Sport. „Man sollte lieber verlieren, als unfair zu sein. Es geht um das faire Handeln des Menschen“, kann und will sie den Betrug durch Doping nicht tolerieren. „Zu meiner Zeit hat man nie gedopt. Sport war ein Spiel, eine Verständigung. Aber nicht etwas, um durch unlautere Mittel den Anderen zu bekämpfen.“ Dem kann ich als Sportstaatssekretär nur zustimmen. Mit der richtigen Auffassung vom Leben hat man auch so Erfolg. Mit Freude habe ich auch ihre Ansage bezüglich der Olympischen und Paralympischen Winterspiele in Salzburg 2014 vernommen. Dort will sie mit 102 Jahren die älteste Olympia-Zuschauerin sein.