2. Tag
Um 5.00 Uhr beginnt der 2. Tag mit einem einzigartigen Naturschauspiel. Lhotse (8.511 m), Mount Everest (8.848 m) und Makalu (8.481 m), genannt die „drei Schwestern“ und der Kanchenjunga (8.598 m) tauchen in der Morgensonne auf. Diese 4 der 5 höchsten Berge der Welt sind nur hier auf einen Blick zu sehen – es fehlt nur der K2 (8.611m). Der Kanchenjunga – auf Grund seiner Nähe – und auch der Makalu erscheinen höher als der Mount Everest.
Um 6.30 Uhr wird gestartet, da die Gipfel um 10.00 Uhr wieder hinter einer Wolkendecke verschwinden. So sind sie bei der heutigen Etappe meine ständigen Wegbegleiter und stimmen mich euphorisch. Da dieser Anblick so gigantisch schön ist, werden auch am 3. Tag die ersten 29 Kilometer hier auf 3.600 bis über 3.800 Meter gelaufen.
3. Tag
Wilde Yaks (Anm.: das sind bis zu 2 m große, zottige Rinder – vom Aussterben bedroht) kreuzen die Strecke, die teils in Nepal und teils in Indien im unbewohnten Sandakphu Nationalpark liegt. Als 11. beende ich dieses Teilstück, bei dem es ständig bergauf und bergab geht, nach 3 ¾ Stunden. Zwei blaue Zehennägel bleiben ein schmerzhaftes Andenken an diese Etappe.
Mit 70 Kilometern und 3.800 Höhenmetern in den Beinen gehen wir wieder um 6.30 Uhr an den Marathonstart. Es herrscht kaltes Wetter bei bester Sicht. Bis Kilometer 29 begleitet uns diese einzigartige Naturkulisse der schneebedeckten 8.000er Gipfel. Die Luft ist dünn und verursacht bei mir ein starkes Herzklopfen, das mir bis dahin bei Läufen unbekannt war. Es geht jedoch weiter und nach Kilometer 29 unglaublich steil bergab. Es folgen 7 Kilometer auf einer nicht ungefährlichen Strecke, wo man schwindelfrei und trittsicher sein muss, 1.400 Meter talwärts.
Die letzten 5,2 Kilometer nach Rimbik (2.300 m) geht es dann bergauf. Als 10. beende ich mit 5 Stunden und 28 Minuten genau 2 ½ Stunden über meiner schnellsten Marathonzeit diesen mit Abstand anstrengendsten meiner bisherigen 33 Marathonläufe. Ein Hügel nach Phulet nach 20 Laufkilometern bildet den absoluten Höhepunkt. Man ist hier den Gipfeln am nächsten und möchte am liebsten staunend stehen bleiben.
Todmüde falle ich sofort nach dem Laufende in der Tenzing–Lodge in Rimbik, die Verwandte des Sherpas Tenzing Norgay betreiben, der mit Sir Edmund Hillary 1953 die Erstbesteigung des Mount Everest geschafft hat, ins Bett. Der Sieger heißt wieder Michael Wardian mit neuem Streckenrekord (4 Stunden und 17 Minuten), die letzten Läufer kommen nach 12 Stunden ins Ziel.
Trotz aller Strapazen während des Laufes dominieren für mich natürlich die Eindrücke dieser überwältigenden Bergwelt. Alle Leiden in Grenzen gehalten hat für mich auch die Freundlichkeit der Nepali, die in diesen Dörfern mit ihren kleinen Klöstern und Buddha-Statuen leben. Vor allem die Bergwelt von Nepal, Sikkim, Tibet, Bhutan und Indien bleibt für immer ein unauslöschlicher Eindruck dieses Marathons.