Das neue Erbrecht trägt den gesellschaftlichen Veränderungen und dem damit verbundenen rechtlichen Empfinden der Bevölkerung voll Rechnung. Dazu wurden rund 350 Paragrafen des mehr als 200 Jahre alten österreichischen Erbrechts novelliert.
In den nächsten zehn Jahren sind bis zu 58.000 Betriebsübergaben zu erwarten. 70 Prozent dieser Betriebe sind Familienbetriebe. Mit der neuen Regelung wird Familien und mittelständischen Unternehmen das Leben schlicht und einfach erleichtert – zumal ein Todesfall in der Familie schon Last genug ist. Familienmitglieder, die einen Betrieb übernehmen, sollen den Pflichtteilsberechtigten die Pflichtteile auch in Raten auszahlen oder stunden können. Damit bekommen Erben mehr Zeit, wodurch das Pflichtteilsrecht insgesamt praxisnäher wird.
Ein weiterer Punkt im neuen Erbrecht ist die Berücksichtigung von Pflegeleistungen an den Verstorbenen, was angesichts des damit verbundenen Zeit- und Kraftaufwands und des persönlichen Engagements mehr als gerechtfertigt und gesellschaftlich breit akzeptiert ist. In einer immer älter werdenden Gesellschaft sind Familien bzw. auch andere nahe stehende Personen davon zunehmend betroffen. Um in der Praxis Klarheit zu haben und Streitigkeiten zu vermeiden, sollen Pflegeleistungen in Form eines Pflegevermächtnisses festgehalten und auf diese Weise im Verlassenschaftsverfahren beachtet werden.
Nachdem sich auch das Bild von Familien und Beziehungen ändert, muss sich auch diese gesellschaftliche Entwicklung im Erbrecht abbilden. Für den Fall, dass es kein Testament und keine gesetzlichen Erben geben sollte, gilt neu ein außerordentliches Erbrecht des Lebensgefährten. Konkret fällt das Erbe dann nicht mehr sofort an den Staat, sondern an den Lebensgefährten, der zumindest in den letzten drei Jahren mit dem Erblasser in einer aufrechten Lebensgemeinschaft gelebt hat. Außerdem soll der Lebensgefährte das Recht bekommen in der bisherigen gemeinsamen Wohnung ein Jahr weiter leben zu können.
In Zukunft sind nur noch die Nachkommen und der Ehegatte oder eingetragene Partner pflichtteilsberechtigt. Die Pflichtteilsberechtigung der Eltern und weiterer Vorfahren des Verstorbenen entfällt. Durch eine Erweiterung der Enterbungsgründe wird die Privatautonomie des letztwillig Verfügenden gestärkt. Es werden nun auch mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohte Straftaten gegen nahe Angehörige erfasst. Ebenso einen Enterbungsgrund bilden grobe Verletzungen der Pflichten aus dem Eltern-Kind-Verhältnis. Das neue Erbrecht erweitert aber auch die Möglichkeit, den Pflichtteil auf die Hälfte zu mindern. Hierzu soll nunmehr ein zumindest zwanzig Jahre fehlender Kontakt genügen.